PolitikParteiProgrammWahlenLinksemail
AktuellPDS-LandtagsfraktionLandtagsfraktionPDS-KreisverbändeKreisverbändesozialisten.deim Bundestagbildungsverein-elbe-saale

Wulf Gallert
Außerordentliche 4. Tagung des
9. Landsparteitages
13. Mai 2006, Magdeburg
Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

nachdem Matthias bereits eine Einschätzung zur Landtagswahl und deren politischen Kon-sequenzen gegeben hat, will ich mich nun auf die Aufgaben der Landtagsfraktion in den nächsten fünf Jahren konzentrieren.
Trotzdem ist es auch hier wichtig, die Ausgangssituation zu analysieren.

In diesem Land Sachsen-Anhalt regiert nun in der zweiten Legislaturperiode eine CDU-geführte Landesregierung. Trotz der durchaus mageren Bilanz der abgewählten CDU-FDP-Regierung der letzten Legislaturperiode ist es der CDU gelungen, entsprechende Verluste vor allem bei dem ehemaligen Koalitionspartner FDP abzuladen und ihre Führungsposition auf Landesebene zu behaupten. Dies wird vor allem beim Koalitionsvertrag deutlich. In großen Teilen liest er sich wie die Wahlkampfaussagen der CDU vor dem 26. März. Wenn unter diesen Bedingungen Ministerpräsident Böhmer mehrfach in den letzten Tagen einge-schätzt hat, dass man nun so weiter machen könne, trifft dieser Satz die Realität wahrschein-lich besser als eine Reihe von diplomatischen Erklärungen der neuen Koalitionspartner.

Entscheidende Ursachsen für diese Situation ist die völlige Ignoranz der sich verschärfen-den sozialen Problemlagen in Sachsen-Anhalt. Keine der hier wirklich interessanten Punkte aus der SPD-Wahlkampf-Rhetorik haben ihren Niederschlag im Koalitionsvertrag gefunden und, so muss man heute einschätzen, dies war wohl auch gar nicht die Absicht.

Beispielgebend hierfür soll nur die völlige Preisgabe der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn, den die SPD in der Endphase des Wahlkampfes gefordert hat sowie die defini-tive Festschreibung des sozial selektierenden dreigliedrigen Schulsystems für die nächste Legislaturperiode.

Letztlich hat sich in Sachsen-Anhalt eine Koalition gebildet, die landespolitisch die Position der CDU umsetzt und im Bundesrat eine Gewähr dafür bietet, dass all das, was von CDU und SPD in Berlin beschlossen wird, kritiklos abgenickt wird.

Eine solche Koalition entspricht objektiv nicht den Interessenlagen eines großen Teils der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt.

In einem Land, in dem Hunderttausende Menschen ihren Lebensalltag durch Hartz IV dik-tiert bekommen, braucht man eine Landesregierung, die deren Interessen auch im Bundesrat vertritt.
In einem Land, in dem ein großer Teil der Menschen schwer arbeitet, aber trotzdem von ihrem Einkommen nicht in Würde leben kann, braucht man eine Landesregierung, die sich konsequent für einen gesetzlichen Mindestlohn von 8 Euro einsetzt.
In einem Land, das im bundesweiten Vergleich berechtigterweise als strukturschwach gilt, braucht man eine Landesregierung, die die Interessen strukturschwacher Regionen konse-quent vertritt und nicht nur auf Zentren setzt.
In einem Land, in dem nach wie vor viele Menschen auch dann soziale Gerechtigkeit wol-len, selbst wenn es ihnen persönlich gut geht, braucht es eine Landesregierung, die konse-quent für soziale Gerechtigkeit eintritt und sich nicht wehrlos selbst geschaffener politischer Sachzwanglogik ergibt.

All dies, liebe Genossinnen und Genossen, scheint unstrittig zu sein, viele thematische Um-fragen in Sachsen-Anhalt vor der Wahl belegen, dass wir mit unseren inhaltlichen Positio-nen Mehrheitsmeinungen im Gegensatz zur CDU vertreten. Aber trotzdem haben CDU und SPD bei der Landtagswahl gemeinsam eine deutliche Mehrheit erreicht, die Parteien, die bundesweit den Abbau des Sozialstaates vorantreiben und damit ganz offen gegen einen großen Teil der Interessen der Sachsen-Anhalter verstoßen, stehen im Landtag von Sachsen-Anhalt kurz vor einer Zwei-Drittel-Mehrheit.

Die Ursachen dafür können durchaus vielfältig sein. Auch der Verweis auf die vielen Nichtwähler beantwortet uns die Frage nach den Ursachen dieses Ergebnisses nicht. Auch Nichtwähler sind nicht in jedem Fall aus Frustration zu Hause geblieben. Und selbst die, auf die das zutrifft, hätten bei einer Wahl sich bei weitem nicht immer für uns entschieden.
Die Ursachen für eine politische Mehrheit von CDU und SPD in Sachsen-Anhalt sind viel-fältig, wir konzentrieren auf die, die wir beeinflussen können. Dabei müssen wir festhalten, dass so groß die Popularität unserer Positionen in der Bevölkerung, z. B. beim gemeinsamen längeren Lernen auch ist, die Kompetenzzuschreibung der Wähler an unsere Partei auf Bun-desebene, aber auch im Land ist deutlich zu gering. Man traut uns durchaus zu, Gutes zu wollen, nicht jedoch, dies auch umsetzen zu können.

Dafür gibt es viele verschiedene Gründe und mangelndes Vertrauen der Menschen in Sach-sen-Anhalt in unsere Fähigkeiten muss bei weitem nicht bedeuten, dass unsere Konzepte schlecht wären oder das personelle Angebot nicht stimmen. Aber Vertrauen in der Bevölke-rung zu erlangen, ist ein langwieriger Prozess. Er hat gleichermaßen mit Glaubwürdigkeit und mit Seriosität zu tun, er verlangt Kontinuität in der Arbeit, Verbindlichkeit in den Posi-tionen und die Menschen müssen erfahren, dass wir lernfähig sind und also auf die neuen Rahmenbedingungen einer globalisierten Welt mit all ihren Problemen die richtigen Ant-worten haben.

Dieses Vertrauen in der Bevölkerung zu erlangen und damit die Überzeugung wachsen zu lassen, dass wir nicht nur das Richtige wollen, sondern es auch besser umsetzen können als alle anderen, muss die entscheidende Aufgabe der Landtagsfraktion in den nächsten Jahren werden. Eine Aufgabe, die aber nur erfolgreich zu bewältigen sein wird, wenn sie im Kon-text erfolgreicher linker Kommunalpolitik sowie der kompetenten Arbeit von Mitgliedern in Gewerkschaften, Verbänden, Bürgerinitiativen, wenn möglich, dort an führender Stelle steht.

Ich will nun zu einigen wenigen inhaltlichen Schwerpunkten kommen, die in den nächsten Monaten die Arbeit der Landtagsfraktion bestimmen wird. Wenn ich dies hier tue, hat das vor allem mit der beschränkten Redezeit auf diesem Parteitag zu tun. Ansonsten besteht un-sere Aufgabe als Oppositionsführer nun darin, auf jedem Politikfeld politische Alternativen zu entwickeln, zu diskutieren und einzufordern. Thematische Lücken darf es dabei nicht mehr geben.
Dies bedeutet, dass in der neuen Legislaturperiode die fachpolitischen Sprecher eine sehr viel höhere Verantwortung für ihr jeweiliges Themengebiet haben. Spätestens zur Mitte der Legislaturperiode werden wir Bilanz ziehen, wie sich die Qualität unserer politischen Ange-bote in jedem Fachbereich und deren Resonanz in Sachsen-Anhalt entwickelt haben. Diese Verantwortung jedes der 26 Fraktionsmitglieder bedeutet aber auch die Akzeptanz in der Partei für die Aufgaben der Abgeordneten in der Fraktion. Vor allem die Bereitschaft von rund einem Drittel der Fraktion, ihre Wahlkreisarbeit außerhalb ihres Heimatkreises zu rea-lisieren, erfordert deshalb auch von den Kreisverbänden eine Akzeptanz dieser nicht einfa-chen Situation.

Der Hallenser Bundesparteitag hat eine Kampagne zum gesetzlichen Mindestlohn beschlos-sen. Wir werden als Fraktion natürlich unseren Beitrag dazu leisten und schon vor der Sommerpause dazu im Landtag aktiv werden.
Damit unterstützen wir den Gesetzesentwurf unserer Bundestagsfraktion. Wichtiger ist je-doch, dass wir mit einer entsprechenden Kampagne zu diesem Thema die Menschen in Sachsen-Anhalt darüber hinaus für dieses Thema sensibilisieren. Unser Ziel muss es dabei sein, nach dem deutlichen Mehrheitsbeschluss des DGB auf Bundesebene eine gemeinsame Kampagne mit den Gewerkschaften in Sachsen-Anhalt zu führen.

Von Interesse dabei ist in diesem Zusammenhang, dass die Bereitschaft der Gewerkschaften mit uns politisch zusammen zu arbeiten, deutlich wächst. Ich sage dies hier ganz deutlich, ich möchte eine solche politische Zusammenarbeit zwischen der Linkspartei und den Ge-werkschaften kontinuierlich ausbauen und verkenne dabei nicht, dass es sehr wohl auch un-terschiedliche Positionen zwischen der Linkspartei, dem DGB oder Einzelgewerkschaften geben kann. Aber in einer Frage dürften wir uns einig sein. Uns fehlt beiden der Glaube, dass allein das klassische Wirtschaftswachstum, verbunden mit einer radikalen Sparpolitik die Probleme Sachsen-Anhalts lösen kann. Hier gibt es sehr wohl eine Übereinstimmung der strategischen Interessenslagen. Deswegen habe ich angeregt, die Konsultationen mit den Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften in Sachsen-Anhalt und dem Landesvorstand des DGB zu institutionalisieren und die Bildung eines parteinahen Gewerkschaftsrates in Sach-sen-Anhalt voran zu treiben. Es wird in Zukunft keine wichtige politische Initiative der Fraktion geben, ohne dass wir uns vorher darüber mit den Gewerkschaften konsultiert ha-ben.

Eine der zentralen Aufgaben der gesamten Legislaturperiode wird unsere Arbeit im Bereich des Bildungssektors sein. Hier wird am stärksten die völlige Ignoranz der sozialen Frage im Koalitionsvertrag deutlich. Weder im Bereich der Kindertagesstätten noch im Bereich der Schule wollen CDU und SPD auch nur eine einzige wirkliche Maßnahme zur Überwindung der skandalösen Verteilung der Bildungschancen nach der sozialen Herkunft umsetzen.

Ich warne uns jedoch davor, voreilig den Schluss zu ziehen, dass das Alleinstellungsmerk-mal unserer Partei, diese Frage zu thematisieren, automatisch zu einem Vorteil für uns aus-gebaut werden kann. In diesem Bereich gilt dasselbe wie für viele andere linke Positionen in der gesellschaftlichen Debatte. Der weitgehende Ausfall der SPD dabei kann sehr wohl da-zu führen, dass diese Themen insgesamt marginalisiert werden. Letztlich liegt es dann aus-schließlich an uns, das Bewusstsein dafür wach zu halten, also auch die gesellschaftlichen Themen zu bestimmen. Dies, das sage ich mit aller Deutlichkeit, ist eine neue Herausforde-rung, der wir uns so noch nicht gestellt und die wir bisher auch noch nicht erfüllt haben.
Auf der Klausurtagung zu Beginn dieser Woche haben wir uns darauf verständigt, an dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Bildungskonvent uns mit unserem Schulkonzept einzu-bringen. Wir wissen sehr wohl, dass die Idee, einen gesellschaftlichen Verständigungspro-zess über die Bildungspolitik auch außerhalb des Landtages herzustellen, von der Koalition als Ausrede benutzt wird, um ihre völlige Inaktivität in diesem Bereich zu überdecken. Falls sich herausstellen sollte, dass sich die Funktion des Bildungskonvents genau darauf be-schränkt, werden wir unsere Mitarbeit daran abbrechen und die parlamentarische Auseinan-dersetzung suchen.

Die Landtagsfraktion wird für die nächsten Wochen und Monate das 100-Tage-Programm, das der Landesvorstand bereits im Januar beschlossen hat, als politischen Leitfaden benut-zen. Dabei steht die Aufgabe, die Linkspartei weiter als Bürgerrechtspartei zu profilieren, genauso wie die Formulierung eigenständiger Überlegungen zu einem Landesprogramm für den Kampf gegen den Rechtsextremismus. Wir werden die klassischen Oppositionsaufga-ben zu erfüllen haben, wie die Kontrolle der Landesregierung und die Herstellung von Öf-fentlichkeit politischer Entscheidungsvorgänge. Wir werden uns in die Debatte um die Fö-deralismusreform genauso einbringen wie um die Neugestaltung der EU-Strukturfonds bis zum Jahre 2013.
Wir werden uns aber auf jeden Fall als gesamte Fraktion in den inhaltlichen Profilbildungs-prozess der neu entstehenden Partei einbringen. Die vom Bundesparteitag in Dresden be-schlossene Neubildung einer linken Partei in Deutschland schon in der ersten Hälfte des kommenden Jahres verlangt unbedingt einen Schub auf der politisch konzeptionellen Ebene. Die auf dem Parteitag in Halle von Oskar Lafontaine beschriebenen Gemeinsam-Positionen von Linkspartei und WASG beschränken sich im wesentlichen auf die Kritik des neolibera-len Mainstreams in der Bundesrepublik.

Das ist in einer solchen Phase auch normal, reicht aber für die politische Handlungsfähigkeit einer neuen linken Partei nicht aus. Unter anderem deshalb, damit auch nicht die Frage be-antwortet wird, warum neoliberale Modelle im 21sten Jahrhundert immer stärker mehrheits-fähig und umsetzbar werden und das trotz ihrer verheerenden Auswirkungen. Darüber hin-aus macht uns die Definition über die Gegnerschaft zu anderen politischen Kräften letztlich auch von diesen abhängig. Wenn wir uns über solche Sätze definieren, wie: Wir sind die Einzigen, die dafür eintreten... stellt sich immer die Frage, was aus uns wird, wenn wir nicht mehr die Einzigen sind, die etwas fordern (Irak-Krieg und Mindestlohn).

Diese Arbeit für eine bundesweite politische Konzeptpartei ist der einzige mögliche Weg, um unser strategisches Ziel in Sachsen-Anhalt zu erreichen: Die Dominanz der CDU zu brechen und selbst zur stärksten politischen Kraft 2011 zu werden.

Vielen von Euch wird dieses Ziel noch vermessen erscheinen. Aber wenn wir in diesem Land wirklich etwas bewegen wollen, wenn wir auch wirklich Regierungsverantwortung in Sachsen-Anhalt anstreben, bleibt uns vor dem Hintergrund einer schwächer werdenden SPD nichts anderes übrig, als dieses ehrgeizige Ziel zu verfolgen. Dies tun wir nicht für uns, son-dern für die vielen 100.000en Menschen in Sachsen-Anhalt, die auf uns vertrauen, weil wir ihre politischen Interessenvertreter sind und sie einen Anspruch haben, dass ihre politischen Forderungen auch in die Realität umgesetzt werden.

 

 
 
Suchen
Termine
Spenden
Parteireform
Mitglied werden
die Jugend der PDS
Frauen in der PDS

Impressum
update 13.05.2006
Seitenanfangzurück