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Umweltpolitische Herausforderungen an eine neue Landesregierung

Umweltpolitik dient vor allem der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen. Sie sollte deshalb per se vorsorgend und dem Allgemeinwohl verpflichtet sein. Am Umgang mit den natürlichen, besonders mit den biologisch-ökologischen Ressourcen lässt sich der Grad der Verständigkeit und Weisheit von Politik und Politikern messen.
Im Koalitionsvertrag von 2002 zwischen CDU und FDP in Sachsen-Anhalt wurde stattdessen nicht nur die Nachrangigkeit der Umweltpolitik billigend in Kauf genommen, sondern ausdrücklich als programmatisches Ziel festgelegt. Die irrationale Behauptung, eine aktive Umweltpolitik behindere die Wirtschaftsentwicklung, manifestierte sich in zahlreichen legislativen und exekutiven Entscheidungen. Umweltstandards wurden, wo immer möglich, abgesenkt, europa- und bundesrechtliche Vorgaben höchstens „Eins zu Eins“, d. h. minimal umgesetzt. Die Landesregierung brüstet sich damit, Ausgestaltungsmöglichkeiten der Länder nicht wahrgenommen zu haben. Als Querschnittaufgabe wird Umweltpolitik ohnehin nicht begriffen. Die bedenklichsten Fehlentwicklungen der letzten Jahre sind folgende:

Die Gleichwertigkeit der drei Säulen der Nachhaltigkeit (ökologisch, sozial, ökonomisch) wurde aufgegeben, die Vorgaben der Wirtschaftsverbände sind in jedem Fall ausschlaggebend. Folgerichtig wurde die in der 2. Legislaturperiode begonnene Diskussion um die Rahmenbedingungen und Strategien eines zukunftsfähigen Sachsen-Anhalt nicht fortgesetzt.

  • Der Landtag hat sich (nicht nur) umweltpolitisch weitgehend selbst entmachtet. Der Umweltausschuss ist für Fragen der Raumordnungs- und Energiepolitik nicht mehr zuständig. Der Landesentwicklungsplan wird nicht mehr vom Landtag, sondern von der Landesregierung beschlossen. Eine parlamentarische Kommission – unter welchem Namen auch immer – die sich mit Zukunftsfragen des Landes befasst, existiert nicht.
  • Das neue Landesnaturschutzgesetz gehört zu den schlechtesten in Deutschland. Es setzt bundesrechtliche Vorgaben manchmal – wie bei der Eingriffsregelung – nicht einmal minimal um. Dem bundesrechtlich vorgegeben Vorrang der Eingriffsvermeidung wird die Ökokontoregelung entgegengesetzt, die in der Praxis fast immer eine Vorabgenehmigung des Eingriffes bedeutet.
  • Der ehrenamtliche Naturschutz wird mit diesem Gesetz brüskiert und weitgehend seines Einflusses beraubt, Naturschutzhelfern wurden ihre wenigen hoheitlichen Rechte weitgehend genommen.
  • Beiräte wurden so besetzt, dass Fachleute und Kritiker der Regierungspolitik darin nicht oder nur in einer Minderheit vertreten sind.
  • Die sog. Investitionserleichterungsgesetze zielen überwiegend darauf ab, Umweltbelangen weniger stark Rechnung tragen zu müssen. Die „Beschleunigung von Planungsverfahren“ und der „Bürokratieabbau“ gehen in erheblichem Maße zu Lasten der demokratischen Mitwirkung von Bürgern sowie ihren Vereinen und Verbänden.
  • Die so genannte Deregulierung treibt groteske Blüten: Weil die Landesregierung nach ihrem eigenen Willen von der Verordnungsermächtigung zur Ausweisung von Biosphärenreservaten und Naturparken entbunden wurde, ein Rechtsakt aber trotzdem nötig ist, werden diese Großschutzgebiete nun durch Allgemeinverfügung ausgewiesen, was mit keinerlei Verwaltungsvereinfachung, aber mit erheblichen Verzögerung verbunden ist. Die vorliegenden Allgemeinverfügungen sind aus naturschutzfachlicher Sicht zudem weitgehend wertlos.
  • Die vorerst letzte Chance, den Naturpark Colbitz-Letzlinger Heide auszuweisen, wurde mit der Aufkündigung des sog. Heidekompromisses durch die Landesregierung vertan. Das Gelände des ehemaligen Naturschutzgebietes Paxförde (ca. 3000 ha) verbleibt somit in den Händen der Bundeswehr und steht als Fläche für den Naturpark nicht mehr zur Verfügung.
  • Die schon in der 3. Legislaturperiode gegründete Umweltallianz wurde 2003 auf eine neue Grundlage gestellt. Sie ist inzwischen eine reine Lobbyistenveranstaltung, bei der fast ausschließlich die Wirtschaftsverbände der Landesregierung mitteilen, welche Normen ihnen genehm sind und welche nicht.
  • Im Rahmen der Biotechnologie legt sich die Landesregierung ausgerechnet für die sog. Grüne Gentechnologie ins Zeug, die unter allen diesen Technologien aus guten ökologischen und gesundheitlichen Gründen mit Abstand am meisten umstritten ist. Bisher ist diese Technologie den Nachweis ihrer Unbedenklichkeit ebenso schuldig geblieben wie den ihres Nutzens für Verbraucher und Landwirte.
  • Das inzwischen überregional bekannte Desinteresse der Landesregierung an einer vorausschauenden Umweltpolitik zieht äußerst zweifelhafte Investoren an. Planungen für tierquälerische und ökologisch desaströse Massenhaltungen wie die für 80000 Schweine in Mahlwinkel sind in den alten Bundesländern weder umweltpolitisch noch im öffentlichen Planungsverfahren durchsetzbar.
  • In diesem Jahrhundert ist in Sachsen-Anhalt noch kein Bericht über den Umweltzustand erschienen und es ist auch ausdrücklich keiner geplant.


Solange diese Defizite fortexistieren, ist eine nachhaltige Umweltpolitik nicht möglich. Sie müssen also so schnell wie möglich beseitigt werden, ohne dabei den langfristigen Anspruch aus den Augen zu verlieren. Die wichtigsten Aufgaben für die Zeit nach dem 26. März 2006 sollen hier aufgeführt werden:

  • Die parlaments- und regierungsseitig 2002 faktisch abgebrochene konzeptionelle Arbeit zur nachhaltigen Entwicklung des Landes ist fortzusetzen. Der 2001 erschienene Bericht der Enquete-Kommission „Zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt“ sowie die Perspektivpapiere von Linkspartei.PDS und SPD bieten dabei eine gute Grundlage. Der Ansatz der Nachhaltigkeit, Zukunftsfähigkeit und dauerhaften Umweltverträglichkeit ist als zentrale Säule zukünftigen Regierungshandelns fest zu schreiben. Unterstützung soll die Politik dabei durch einen Rat für nachhaltige Entwicklung erfahren, dessen Rechte und Möglichkeiten gesetzlich festzulegen sind. Die Potenziale der Hochschulen und Forschungseinrichtungen für Projekte nachhaltiger Entwicklung sind weitaus stärker als bisher zu nutzen.
  • Die knappen Landesfördermittel sind auf solche Vorhaben zu konzentrieren, deren Nachhaltigkeit anhand klarer Kriterien nachgewiesen wurde (Spangenberg 2000). Dabei ist es nicht von vorrangiger Bedeutung, ob dieses Vorhaben einem sog. zentralen Ort zugeordnet werden kann.
  • Gesetze, die umweltpolitisch eindeutig Flurschäden angerichtet haben, sind schnellstmöglich zu novellieren. Für das Naturschutzgesetz liegt bereits ein Entwurf vor, der das Verbandsklagerecht und die Befugnisse ehrenamtlicher Naturschützer wiederherstellt, ferner der Eingriffsregelung ihren ursprünglichen Sinn wieder gibt und die Großschutzgebiete deutlich aufwertet.
  • Mittelfristig ist ein Umweltrahmengesetz zu erarbeiten, das die allgemeinen Leitlinien und Ziele sowie die Wechselwirkungen und Vorsorgeaspekte zwischen Raumordnung, Naturschutz, Bodenschutz, Gewässerschutz, Immissionsschutz u. a. aufnimmt. Die Fachgesetze können auf die Regelung der Fachspezifika beschränkt und damit verschlankt werden.
  • Im Sinne einer effizienten Arbeit und einer tatsächlichen Wirksamkeit ihrer Arbeit sind wichtige Beiräte wie der Landesnaturschutz- und der Gewässerbeirat in jeweils einen Fachbeirat, der Politik und Verwaltung fachlich berät, und einen gesellschaftlichen Beirat, in dem verschiedene Interessengruppen ihre Meinungen und Forderungen einbringen, zu trennen.
  • Vor allem im Natur- und Gewässerschutzbereich bedarf es einer neuen und weitergehenden Umweltallianz zwischen Politik, Verwaltung und Verbänden. Die Herausforderungen z. B. der FFH- und der Wasserrahmenrichtlinie lassen sich nicht allein durch staatliches Handeln erfüllen. Eigenständige Projekte der Umweltverbände und lokaler Initiativen sind deshalb in deutlich stärkerem Maße als bisher zu fördern.
  • Die Wasserpolitik ist auf die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie und damit auf die Herstellung eines guten Zustandes der Oberflächen- und Grundwasserkörper zu konzentrieren. Dazu sind v. a. die Investitionen neu zu wichten. Die Mittel für die Abwasserentsorgung sind Schritt für Schritt zu verringern, die für den Schutz der Gewässer vor diffusen Belastungen und für die Renaturierung parallel auf mindestens 50 % der Gesamtsumme zu erhöhen.
  • Sämtliche leitungsgebundene Infrastruktur bedarf der kritischen Bewertung ihrer Dimensionierung bzw. Kapazität. Bei Neubauvorhaben und Ersatzinvestitionen sind alle Möglichkeiten dezentraler Alternativen zu überprüfen.
  • Den Suburbanisierungstendenzen und dem anhaltenden Flächenverbrauch für die Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung ist mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln der Raumordnung, der Bauleitplanung, des Naturschutzes und der Verkehrspolitik entgegen zu wirken. Innenentwicklung ist als Ziel der Raumordnung im Landesentwicklungsplan zu fixieren und vor allem auch zu vollziehen.
  • Für die wirtschaftliche Revitalisierung von Altstandorten werden geeignete Förderinstrumentarien entwickelt und eingeführt.
  • Ziel von künftigen Agrarumweltprogrammen muss es sein, eine multifunktional nutzbare Landschaft zu erhalten bzw. herzustellen. Damit ist Landwirten in von der Ertragslage her eher benachteiligten Gebieten eine dauerhafte Perspektive zu bieten.
  • Massentierhaltungen, die jede bisher bekannte Dimension sprengen, sind aus ethischen, ökologischen und auch aus regionalwirtschaftlichen Gründen zu verhindern, wenn das die Gesetzeslage hergibt.
  • Die Euphorie und Bedenkenlosigkeit und zugleich Geheimniskrämerei, mit der die sog. Grüne Gentechnik in Sachsen-Anhalt bisher gefördert wird, ist deutlich zu bremsen. Für Transparenz ist ebenso zu sorgen wie für eine aussichtsreiche und ganzheitliche Sicherheitsforschung und den unbedingten Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft.

Magdeburg, 1. März 2006

Prof. Dr. Volker Lüderitz
Kompetenzteam der Linkspartei.PDS

 
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