Sachsen-Anhalt auf gutem Weg?
Vierzehn mal Nein zu einer CDU-geführten Landesregierung!
Vor vier Jahren haben die jetzigen Regierungsparteien
Sachsen-Anhalt in Grund und Boden geredet – jetzt jubeln sie es zum Shootingstar
hoch. Beides ist so unredlich wie falsch. Und es verbaut den Blick
auf einen tatsächlich guten Weg in die Zukunft, auf dem die
Stärken genutzt und ausgebaut werden, um die Schwächen
zu überwinden. Die Bilanz der CDU-geführten Landesregierung
ist traurig:
1.
Kinderarmut verfestigt, Bildungsarmut befördert
Die Landesregierung ignoriert, dass gut ein Viertel aller Kinder
in unserem Land in Armut groß wird – so viele, wie
in keinem anderen Bundesland. Mit ihrer Zustimmung zu Hartz IV
hat sie sogar dazu beigetragen, dass sich dieses Elend verfestigt.
Mit ihrer Ablehnung eines Anspruchs aller Kinder auf Ganztagsbetreuung
in der Kita und mit ihrem Festhalten am gegliederten Schulsystem
sorgt sie zugleich dafür, dass die sozial benachteiligt
Geborenen auch benachteiligt sind, wenn es um die entscheidende
Ressource für ihre Zukunft geht: Bildung. Und es ist ein
Hohn, wenn Familienförderung vor allem als steuerliche Förderung
gehandhabt wird: An Familien, die aufgrund ihrer Notsituation
fast keine Steuern zahlen, geht dieser Segen völlig vorbei.
2.
Erwerbsarbeitsplätze vernichtet, Arbeitsmarktpolitik
aufgegeben
In keinem anderen Bundesland sind im vergangenen Jahr – wie
schon 2004 – so viele reguläre Erwerbsarbeitsplätze
weggefallen wie in Sachsen-Anhalt. Es bestehen weiterhin erhebliche
Defizite in der Wirtschaft – so die überwiegend kleinbetriebliche
Struktur: Rund 80 % der Unternehmen haben weniger als 10 Beschäftigte.
Hinzu kommen eine schwache vertikale und horizontale Vernetzung
und vor allem eine deutliche Eigenkapitalschwäche. Die Zahl
der Insolvenzverfahren ist unverändert hoch und steigt an – von
1.938 im Jahre 2000 auf 4.342 allein in den ersten zehn Monaten
2005. Gewachsenem Auslandsumsatz stehen die schwache Binnennachfrage
und der zurückbleibende Konsum der privaten Haushalte wegen
der ungenügenden Beschäftigungseffekte gegenüber.
Hinsichtlich der Wachstumsraten liegen wir im Durchschnitt hinter
denen der westdeutschen Länder bzw. bewegen uns bestenfalls
im Schrittmaß der dortigen wirtschaftlichen Entwicklung.
Aber die Schere der wirtschaftlichen Entwicklung schließt
sich nicht. Die Lücke im Forschungs-und-Entwicklungs-Potenzial
Sachsen-Anhalts im Vergleich mit westdeutschen Ländern konnte
bis heute nicht geschlossen werden. Der Umsatz der forschungsintensiven
Branchen am Gesamtumsatz liegt noch weit unter 10 %. Für landeseigene
Arbeitsmarktprogramme stellt die Landesregierung noch ganze 5 Mio. € zur
Verfügung – das heißt: Eine eigenständige
Arbeitsmarktpolitik hat sie fast völlig aufgegeben.
3.
Soziale Herkunft bestimmt Bildungszugang, Leistungsauslese
statt Förderung
Beim Bildungsmonitor Deutschland 2005 hat Sachsen-Anhalt in der
Gesamtbewertung wiederum den letzten Platz belegt. Bei der jüngsten
PISA-Auswertung heftete sich die Landesregierung Erfolge an die
Brust – doch in keinem Fall, weder 2000 noch 2003, hat sich
etwas an den schlechten Werten der Bildungsbeteiligung und des
Bildungszuganges geändert. Die hohe soziale Selektivität
hat bisher keine Schulreform durchbrochen. Auf das anhaltend mangelnde
Leistungsniveau von Schülerinnen und Schülern auch in
Sachsen-Anhalt antwortet die Landesregierung nicht durch Förderung
in der Breite, sondern durch eine stringentere Leistungsauslese.
4. Hochschulen finanziell geknebelt, Studierquote unter Bundesdurchschnitt
Die CDU-FDP-Regierung hat in der Hochschulpolitik einen Kurs eingeschlagen,
der davon geprägt war, die Sparzwänge des Gesamthaushalts
auch auf die Hochschulen durchschlagen zu lassen. Es wurde der
Weg zur Einführung von Studiengebühren bereitet - ein
klares Verbot von Studiengebühren lehnte die Landesregierung
ab. Die Studierquote in Sachsen-Anhalt verharrt deutlich unter
dem Bundesdurchschnitt und erst recht unter dem der OECD-Staaten.
Hochschuldemokratie und Hochschulautonomie wurden geschwächt.
5.
Barrierefreiheit Fehlanzeige, Blindengeld gekürzt
Dass auch in Sachsen-Anhalt die Menschen immer älter werden,
ist für diese Landesregierung ausschließlich ein Anlass
zum Stöhnen, nicht zum Handeln – Konsequenzen wie die
barrierefreie Gestaltung z. B. öffentlicher Verkehrsmittel
sind kein Thema. Das zeigt sich auch anderswo - bei der Landesbauordnung
und bei der Streichung von Programmen zur Wohnraumanpassung für
behinderte Menschen. Die Landesregierung brüstet sich mit
dem neuen Krankenhausgesetz und den neuen Gesundheitszielen - aber
bei der Umsetzung z. B. der Gesundheitsziele wird die unterschiedliche
soziale Situation der Menschen außen vor gelassen. Das Blindengeld
wurde gekürzt, die Frühförderung behinderter Kinder
beschränkt, der Rahmenvertrag zur Eingliederungshilfe gekündigt
und damit der Rechtsanspruch behinderter oder von Behinderung bedrohter
Menschen auf individuelle Hilfe erheblich eingeschränkt.
6. Wohnungssituation einkommensschwacher Haushalte uninteressant
Die Wohnungssituation, insbesondere die Bereitstellung von Wohnraum
für einkommensschwache und sozial benachteiligte Haushalte,
lässt die Landesregierung kalt. Das Land Nordrhein-Westfalen
besitzt bereits seit Juni 2004 eine Entschließung zur sozialverträglichen
Gestaltung bei Wohnungsveräußerungen – nichts
davon ist bei uns in Sicht. Um Ghettoisierungen zu verhindern
und ansprechende Wohngebiete zu erhalten, wäre die regelmäßige
Anpassung der Wohngeldsätze sowie der Regelungen für
die Kostenübernahme für Miete und Nebenkosten gemäß SGB
II vorzunehmen.
7.
Personalkonzept für öffentlichen Dienst
verkommt zu Personalverschiebungen
Bis heute hat die Landesregierung den Beschluss des Landtages,
rechtzeitig vor der Wahl ein Personalkonzept für den öffentlichen
Dienst vorzulegen, nicht eingehalten. Kein Wunder: Statt – wie
angekündigt - einen modernen öffentlichen Dienst zu schaffen,
gab es fast ausschließlich Personalverschiebungen in die
Landesbetriebe; leistungsorientierte Besoldungs- und Vergütungselemente
erhielten keine Chance, stattdessen wurde konzeptlos an den Sonderzahlungen
gekürzt und getroffene Zusagen nicht eingehalten. Eine Modernisierung
des öffentlichen Dienstrechtes ist nicht erfolgt.
8.
Ländlicher Raum bleibt Stiefkind, nachhaltige Wirtschaftsentwicklung
fällt aus
Die Anfang 2005 von der Landesregierung ins Leben gerufene „Allianz
der ländlichen Räume“ ist praktisch nicht zum Tragen
gekommen. Zwar sind in den letzten vier Jahren 245 Millionen Euro über
das Dorferneuerungsprogramm in die ländlichen Regionen geflossen
- über eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung sagt dies jedoch
nichts aus. Die Forststrukturreform mit der Auflösung der
Einheitsforstverwaltung ist keine Reform zum Vorteil einer nachhaltigen
Waldbewirtschaftung und des Forstschutzes, sondern vor allem eine
Personalreform mit dem Ziel der Reduzierung der Beschäftigten
in der Wald- und Forstwirtschaft.
9.
Doppelspiel bei öffentlicher Sicherheit,
Demotivierung bei Polizei
Die Landesregierung betreibt ein Doppelspiel bei der öffentlichen
Sicherheit. Einerseits verschärfte sie das Gesetz über
die öffentliche Sicherheit und Ordnung und schränkte
Grundrechte ein – durch „präventive“ Videoüberwachung
an gefährlichen Orten, präventive Rasterfahndung ohne
Richtervorbehalt, erweiterte Platzverweisung und Wegweisungsrecht
in Fällen häuslicher Gewalt. Mit der Schaffung eines „Gemeinsamen
Informations- und Auswertungszentrums islamistischer Terrorismus
(GIAZ)“ verstieß sie klar gegen das Trennungsgebot
zwischen Polizei und Verfassungsschutz. Andererseits organisiert
sie Überlastung und Demotivierung bei den BeamtInnen von Kriminalpolizei
und Schutzpolizei durch Personalabbau, Kürzungen bei der Bezahlung,
Beförderungsstop und fehlende moderne Ausrüstung und
Technik. Ähnlich sieht es in den Justizvollzuganstalten aus.
Die Mittel für den Verein „Miteinander“, der sich
der Bekämpfung von Rechtsextremismus und rechtsextremer Gewalt
widmet, wurden gekürzt.
10.
Sachsen-Anhalt auf Bundesebene und in Brüssel
im Stich gelassen
Landesregierung und Regierungschef erwecken bundesweit gern den
Eindruck eigenständiger Positionen und streitbaren politischen
Handelns. Hartz IV haben sie dennoch mit auf den Weg gebracht.
In der Mehrwertsteuerfrage ist der Ministerpräsident eingeknickt
und hat seine Position im Bundestag in aller Form widerrufen. Ausgeschlagen
wurde die Chance, sich in Sachen Bodenreform mit dem Urteil des
Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom Frühjahr
2004 zu korrigieren und Tausenden von entschädigungslos enteigneten
einstigen Umsiedlern und deren Erben Gerechtigkeit widerfahren
zu lassen – stattdessen ließ auch die Landesregierung
Sachsen-Anhalts den damaligen Bundeskanzler Schröder tatenlos
gegen dieses Urteil Widerspruch einlegen. In der Agrarpolitik beschränkt
man sich insgesamt darauf, Verordnungen und Festlegungen aus Brüssel
und Berlin nach unten weiterzureichen – keine ausreichenden
Initiativen nach oben, z. B. für eine Zuckermarktordnung,
die die Existenz der Zuckerrübenanbauer in Sachsen-Anhalt
nicht gefährdet.
11. Umweltstandards abgesenkt, Ressort- statt Querschnittsdenken
Umweltstandards wurden, wo irgend möglich, abgesenkt, europa-
und bundesrechtliche Vorgaben höchstens „Eins zu Eins“,
d.h. minimal umgesetzt. Die Landesregierung brüstet sich geradezu
damit, Ausgestaltungsmöglichkeiten der Länder nicht wahrgenommen
zu haben. Umweltaspekte werden aktuell weniger denn je als Querschnittsaufgabe
begriffen.
12. Gebietsreform untauglich, moderne Verwaltung nicht in Sicht
Die Landesregierung fürchtet starke Partner und starke Strukturen
im Land. Der längst überfälligen kommunalen Strukturreform
hat sie sich erst verweigert und dann so kleinteilig angelegte
Entscheidungen getroffen, die einen modernen Verwaltungsaufbau
unmöglich machen, das Stadt-Umland-Problem bestehen lassen
und gewachsene Regionen wie z. B. Anhalt sinnlos zerschneiden.
Unter dem Schlagwort „Kampf gegen die Bürokratie“ hat
die Landesregierung zwar Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte sowie
Leistungsstandards reduziert – um so mehr aber treibt jetzt
das Aufsichts-, Kontroll-, Berichts-, Erlass- und Verordnungs(un)wesen
neue Blüten. Doppelprüfungen sind an der Tagesordnung,
mit kleinlichen Vorschriften werden Einrichtungen und Träger
zu aufwändiger Verwaltungsarbeit gezwungen. Auch die viel
gepriesene neue Sozialagentur ist eine zentralistische Fehlkonstruktion – sie
hätte von starken Kommunen getragen werden müssen. So
aber werden die Gestaltungsspielräume vor Ort eingeschränkt.
13. Strangulierung der Kommunen, Abbau kommunaler Selbstverwaltung
Von 2002 bis 2006 wurden den Kommunen rd. 750 Mio. Euro sowohl
allgemeine als auch zweckgebundene Finanzzuweisungen entzogen.
Fast alle Gemeinden ab 5 000 Einwohner und 20 Landkreise haben
keine ausgeglichenen Haushalte mehr, stehen unter Konsolidierungszwang.
Dies führt zu einem erheblichen Abbau kommunaler Selbstverwaltungsaufgaben
im kulturellen, sozialen, sportlichen und bürgerschaftlichen
Bereich. Nur ein Drittel der extrem hohen kommunalen Schulden ist
der Arbeit der Gebietskörperschaften geschuldet. Zwei Drittel
der Schulden sind auf die geringeren Zuweisungen und Aufgabenzuweisungen
seitens des Landes und des Bundes zurück zu führen. Mit
dem Doppelhaushalt 2005/06 verzeichnen die Kommunen die niedrigste
Investitionsquote seit 1995. Neuinvestitionen können die meisten
von ihnen nicht mehr tätigen.
14.
Transparenz öffentlichen Handelns abgelehnt,
demokratische Rechte beschnitten
Für die anhaltenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme
hat die Landesregierung ebenso wenig einen Sinn, wie für den
offenen Dialog mit denjenigen, die hier in unserem Lande Leistungen
erbringen und erbringen wollen. Ein Informationszugangsgesetz für
das Land Sachsen-Anhalt, welches die Transparenz öffentlichen
Handelns durch den Zugriff der Bürgerinnen und Bürger
auf die bei öffentlichen Stellen vorliegenden Informationen
ermöglichen soll, lehnt die Landesregierung grundsätzlich
ab. Erhebliche Einschränkungen hat die Landesregierung bei
den demokratischen Rechten kommunaler MandatsträgerInnen und
BürgerInnen vorgenommen – so durch die Schwächung
der Rechte der Ortsräte und Ortsbürgermeister und den
Wegfall der Rechte von Bürgerinitiativen zur Teilhabe an der
gemeindlichen Willenbildung. Abgelehnt hat es die Landesregierung,
für Sachkundige Bürger das Stimmrecht in beratenden Ausschüssen
zu ermöglichen und Gemeinderäten das Rederecht auch in
Ausschüssen einzuräumen, denen sie nicht angehören.
Sachsen-Anhalt ist eines von sechs ostdeutschen
Bundesländern – und
es hat keine wesentlich anderen Probleme als all diese Länder.
Manches ist hier schwerer, manche Fehler des Vereinigungsprozesses
haben hier noch härtere Auswirkungen als anderswo. Doch auch
unser Bundesland hat seine Chancen und Potenziale. Die nächste
Landesregierung braucht daher vor allem das richtige Augenmaß,
den richtigen Blick für das, was notwendigerweise zu tun bleibt,
und für das, worauf man sich dabei stützen kann.
Mit einer CDU-geführten Landesregierung ist das nicht zu
machen. Die nächste Landesregierung muss also eine andere
Landesregierung sein – eine Landesregierung mit der Linkspartei.PDS.
Damit die Richtung stimmt!
|