Hilfesysteme
und Hilfsangebote für Menschen
in extremer Armut in Sachsen-Anhalt zu unflexibel
Ein von der
Bundesregierung im Jahr 2000 in Auftrag gegebenes Forschungsprojekt
beschäftigte sich mit der Problematik
von Menschen in extremer Armut – ein Personenkreis also,
dessen Lebensstandard das Existenzminimum in Deutschland deutlich
unterschreitet und der nicht in der Lage ist, sich aus eigener
Kraft aus dieser Lebenslage herauszubewegen.
Da diese Menschen vielfach kaum in den Kontakt zu den gängigen
Hilfesystemen – insbesondere der Sozialhilfe – kommen,
ist ihre Zahl auch kaum bezifferbar.
Sie finden sich beispielsweise in Notquartieren der Kommune (Angebote
für Wohnungslose) oder gar in der Obdachlosigkeit wieder,
sind in extremer Form von Sucht oder chronischer Krankheit betroffen.
Nach Schätzungen des sozialpsychiatrischen Dienstes in Halle
benötigen ca. 70% der BewohnerInnen des halleschen Notquartiers
fachliche Hilfe aufgrund einer weit fortgeschrittenen Suchterkrankung
oder psychischer Erkrankungen.
Da die hiesigen
Sozialsysteme auf Menschen ausgerichtet sind, die in ärmlichen und dennoch sozial einigermaßen stabilen
Verhältnissen leben, finden diejenigen, die von extremer
Armut betroffen sind, kaum Zugang zu den Angeboten der Sozialhilfe,
oder aber die gängigen Regelungen und Hilfsangebote sind
nicht passfähig auf deren Situation. Beispielsweise versperrt
die Forderung nach Abstinenz - als stringente Zugangsvoraussetzung
für ambulante Hilfen durch die sachsen-anhaltinische Sozialagentur
festgelegt – diesen Menschen vielfach den Zugang zu Hilfe.
Die Linkspartei.PDS fordert deshalb die Aufhebung dieser Zugangsbeschränkung
und stattdessen eine individuelle Anpassung notwendiger Hilfeleistungen.
Von den kommunalen
Experten und VertreterInnen der Hilfsorganisationen wird oft
die völlig gespaltene und vielfach ungeklärte
Zuständigkeit für Hilfsangebote beklagt. Sie bringen
unnötige Zeitverzögerungen. Im schlimmsten Falle bleibt
den Bedürftigen dadurch die notwendige Hilfe versagt, weil
sich Behörden und Ämter weder einigen noch verständigen.
Das Fazit
vieler TeilnehmerInnen des Workshops des Sozialministeriums
zu Menschen in extremer Armut war die
Forderung nach Vereinheitlichung
von Zuständigkeiten, nach der Verlagerung der Zuständigkeiten
vor allem auf die Ebene der Kommunen. Dort können Hilfsangebote
schnell, unbürokratisch, problemnah und mitunter auch unkonventionell
geleistet werden.
Die Linkspartei.PDS
erneuert deshalb die Forderung nach einer umfassenden Kommunalisierung
der Sozialhilfe, und
zwar der stationären
und der ambulanten Hilfen gleichermaßen.
Das Zögern der Landesregierung lässt – trotz
gegenteiliger gesetzlicher Beteuerungen – vermuten, dass
ein solcher Schritt nicht mehr gewollt ist. Eine Vereinheitlichung
der Zuständigkeiten und Kompetenzen in den Händen der
Kommune ist anscheinend in weite Ferne gerückt.
Magdeburg, 26. Januar 2006
Birke Bull
Sozialpolitische Sprecherin
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