Lieder gegen
das Vergessen
9. November 2005, 17:00 Uhr
Marienkirche Dessau
Jährliche Veranstaltung zur Erinnerung an den Pogrom gegen
die Juden am 9./10. November 1938, zur Mahnung gegen Rechtsextremismus
und Antisemitismus und zum Bekenntnis zu Toleranz und Frieden
Die Veranstaltung wird seit 1993 am 9.11. durchgeführt, dieses
Jahr unter dem Motto
"Dessau - Eine Stadt weltoffen und tolerant"
Mitwirkende:
- Musikschule
Dessau, Akkordeonensemble
- Talentewerkstatt
Dessau
- Gruppe
Zimes
- Andreas
Preuß
- Rainer
Böhm,
- Dr. Bernd
G. Ulbrich
- Dr. Werner
Grossert
- Anhaltisches
Theater Dessau, Madrigalchor Dessau
Leitung:
Technik:
Wir danken der Stadt Dessau für die kostenfreie Überlassung
der Marienkirche.
Buchempfehlungen:
Dr. Bernd G. Ulbrich, von dem wir 2004 bereits die Broschüre
Antisemitismus in Dessau. Eine Spurensuche in den Jahren 1924
bis 1939 zeigten, schrieb jetzt:
Nationalsozialismus und Antisemitismus in Anhalt. Skizzen zu den
Jahren 1932 bis 1942, 160 S., mit vielen Abbildungen.
Werner Grossert, von dem wir 2004 die Broschüre Geschichte
der Dessauer Juden. Verfolgung, Vertreibung, Deportation 1933-1945
zeigten, schrieb jetzt:
Hugo Jacoby. Auf der Suche nach einem jüdischen Sozialisten
und Antifaschisten, einem Erschlagenen und Vergessenen. Zugleich
für Linke eine kurze politische Geschichte Dessaus 1875 bis
1935, 68 S. mit Abb.
Aufruf
zu einer Hugo Jacoby - Initiative
Hugo Jacoby ist in der Geschichte der Dessauer Juden seit 1672
der erste, der durch Antijudaismus um sein Leben gebracht wurde.
Dessauer Nazis verschleppten ihn 1933 in das KZ Oranienburg und
danach in das anhaltische vorläufige KZ Roßlau, wo
er grausam misshandelt wurde, woran er am 17.August 1935 starb.
Er wäre wahrscheinlich als Jude 1933 bis 1935 noch unbehelligt
geblieben, aber Hugo Jacoby war Jude und Ko mmunist. Am 9. November
1918 wurde er in den Soldatenrat gewählt, der in Dessau die
Novemberrevolution auslöste. Am gleichen Tage hisste er auf
dem Herzoglichen Palais in der Kavalierstraße die rote Fahne
und gab damit das sichtbare Signal zum Sturz der anhaltischen
Monarchie. Bis 1933 war er Vorsitzender der Roten Hilfe in Dessau.
Anlässlich seines 70. Todestages ehrten wir ihn an seinem
wieder aufgefundenen Grabe. Ein Grabstein ist nicht vorhanden.
Das Grab ist von einem starken Baum und von Gestrüpp bewachsen,
dadurch hat sich ein Hügel gebildet.
Wir rufen auf, in einem Arbeitseinsatz das Grab Hugo Jacobys von
Gestrüpp und Schmutz zu befreien und es dem Höhenprofil
der anderen Gräber anzupassen. Die benachbarten Gräber
sind von verstorbenen der Jahre 1933 bis 1941, darunter mehrere
von Juden, die sich nach dem Pogrom vom 9./10.11.1938 durch Gas
oder in der
Mulde selbst das Leben nahmen.
Wir rufen auf, Spenden zu sammeln, um einen Grabstein zu setzen.
Es sollte ein einfacher Stein sein mit der Inschrift:
Hugo Jacoby
29.12.1875 - 17.8.1935
Ein einziger
Satz von Sylvia
Zwei Dessauer
Mädchen im Auschwitz-Orchester
Karla Wagenberg, geboren 1923, und ihre jüngere Schwester
Sylvia wurden am 20. April 1943 in einem Transport nach Auschwitz
transportiert. Sylvia war erst 15 Jahre. Alte, Kranke, Schwangere
und Kinder wurden sofort zur Vergasung selektiert. Arbeitsfähige
Männer kamen in das Männerlager, arbeitsfähige
Frauen und Mädchen in das Frauenlager Auschwitz.
Karla und Sylvia wurden aus einem mörderischen Arbeitskommando
ausgesucht für das Auschwitzer Mädchenorchester. Sie
spielten beide Flöte. Die SS-Lagerführerin Maria Mandel,
eine gebildete Dame und zugleich eine brutale Mörderin, und
der berüchtigte Arzt Mengele, ein Musikfreund, sorgten dafür,
dass die Mädchen des Orchesters nicht zur Vergasung kamen.
Im Herbst 1944 lagerten viele polnische Frauen mit Kindern und
Gepäck tagelang im Freien vor der Baracke des Mädchenorchesters,
weil die Verbrennungsöfen überlastet waren. Ein kleiner
Junge lief der Mandel hinterher, als diese in die Baracke des
Mädchenorchesters kam. Tagelang trug sie den Kleinen mit
sich herum und herzte ihn. Dann brachte sie das Kind eigenhändig
zur Vergasung.
Die Mädchen waren entsetzt, fluchten auf die Mandel und weinten.
Sylvia sagt versonnen: "Vielleicht, für mich ist dieser
kleine Unschuldsengel direkt in den Himmel aufgestiegen, von dort
aus wird er uns beschützen."
Der einzige Satz, den wir von Sylvia kennen, aufgezeichnet von
der französischen Sängerin Fania Fenelon.
Fania Fenelon: Das Mädchenorchester in Auschwitz, S. 335
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